Denkwölfe

Immer wieder erlauben sich Medien, die „Chefdenker“ in Wissenschaft, Kultur und Politik als Denkwölfe zu bezeichnen. Dies scheint mir nicht nur eine schwere Beleidigung der Wölfe zu sein, denn da wo er lebte, wuchs der Wald. Und das jetzt etwas von den sogenannten „Denkwölfen“ zum Wachsen gebracht wird, wage ich zu bezweifeln. Im Gegenteil, sie sind hilflos gegenüber persönlichen wie kollektiven Ängsten oder werfen Zweiglein ins brennende Feuer.

Dort, wo Wölfe leben, entfaltet sich die Flora, die Biodiversität erhöht sich und dadurch können zahlreiche Pflanzen und Tierarten wieder Nahrung finden. Die „Denkwölfe“ allerdings müssen sich eingestehen, dass sie kein Mittel gegen die „Giftzähne“ des Virus zur Verfügung haben und bei sozialen, rassistischen, ökologischen… Problemen nur graue Theorie offerieren können.

Dort, wo Wölfe sind, sprießt an den Flussufern die Vegetation, an den Ufern geht die Erosion zurück, Flussläufe vertiefen sich und es bilden sich kleine Teiche. „Denkwölfe“ ignorieren das Plastik in den Gewässern, rufen nach einer Impfung, schüren Ängste vor Flüchtlingsströmen, vor noch schlimmeren Viren, sind hilflos gegenüber der Abholzung von Regenwäldern, den Infektionsketten des globalen Kapitalismus.

Dort, wo Wölfe sind, vermehren sich die Tiere. Raben, Weißkopfseeadler, Falken, Dachse und anderes Getier, sie fressen die Kadaver, die Wölfe liegen lassen. „Denkwölfe“ sind hilflos, was den Riss betrifft, der durch die westlichen Gesellschaften geht. Auf der einen Seite Armut, in ärmeren Ländern der blanke Hunger. Auf der anderen Seite fühlen sich Menschen vom Leid belästigt, gestört in ihrer Verbindung mit Macht, Besitz und Kontrolle.

Dort wo Wölfe sind, erfolgt im Tier- und Pflanzenreich ein Domino – Effekt. Lebensräume entstehen, in dem trotz dem Gebrüll der Jagdlobby, viele Nischen für Tiere und Pflanzen entstehen. „Denkwölfe“ sind hilflos gegen die Aktionen von Existenz- und Unternehmensvernichtungen, gegen eine quantitative Wirtschaftslogik, gegen skrupellose Staatsschuldenbeschleunigung, gegen explodierende Arbeitslosigkeit, gegen Rassismus, Krieg, Radioaktivität… .

Dort wo Wölfe sind, bekommt der Mensch eine Wahrheit gezeigt, die ihn tief in sein Inneres führen kann. Er kann Schätze heben, die zu einem wahrhaftigen Miteinander und zur Natur führen können. Er verhilft in seinem Abklopfen unserer inneren Wände, jene undichten Stellen zu finden, die den Raum dahinter eröffnen. „Denkwölfen“ ist solch ein Einblick verwehrt, da sie trotz der Krisen Glaubenssystemen anhängen, die ausdrücken wie „In der Natur ist alles Krieg“, „ Der Mensch entwickelt sich zu immer höherer Intelligenz, das ist der Lauf des Fortschritts“, „Der Mensch ist der Gipfel der Intelligenz“ usw. Diese Glaubenssysteme mit ihren Auswirkungen haben uns dahin geführt, dass Menschen und „Denkwölfe“ vergessen haben, das wir gebende und nehmende Wesen sind. Das wir fragil und sterblich sind. Das wir und die Erde, mit all ihren Ökosystemen ein Lebewesen sind, das wir geben und teilen.
Regina Hruska „Dort wo Wölfe sind, ist es uns möglich, unsere ursprüngliche Kraft, die nicht domestiziert wurde zu kontaktieren. Vielleicht zeigen und führen sie uns auch dahin, was es heißt, ein Mensch zu sein.“